Wie sieht ein tieferes Verständnis von Muttersein aus?

Diese und andere Fragen stellte Wilhelmine Gumpoltsberger am 9. Mai 2010 in Los Angeles ihrer langjährigen Mentorin und Wegbegleiterin Judith Batteau Campbell, der Ehefrau von Gregory Sterling Campbell. Hier ein Auszug aus dem Gespräch und Interview:

„Ich denke in zwei Richtungen, nämlich an die Eltern und an die Kinder. Die Eltern sollten fähig sein, sich als Mutter und Vater zurechtzufinden. Das bedeutet, dass sie eine bestimmte Reife besitzen müssen, damit die Kinder sein dürfen, wie sie sind. Dafür müssen sie den Unterschied kennen, wie man ein Kind konditioniert und wie man die Kinder sie selbst sein lässt. Das bedeutet aber nicht, dass die Kinder sich selbst überlassen bleiben und in Allem entscheiden und tun dürfen, was sie wollen.

Die Mutter sollte reif und dadurch sensibel und einfühlsam genug sein, um zu unterscheiden und zu wissen, welcher der echte, wirkliche, authentische Teil des Kindes ist – und das ist schwierig.

Ich war nicht reif genug, zu erkennen, was am Kind echt und was der Teil ist, wo sie sich ausprobieren. Es ist Reife, zu erkennen, was die wirklichen Interessen des Kindes sind. Es ist Reife, wahrzunehmen: Jetzt versucht und übt sich das Kind: z.Bsp. sich etwas Neues zu erobern oder mit der Erwachsenenwelt und den Bedingungen, Anforderungen und Erwartungen fertig zu werden.  

Eine reife Mutter lässt die Kinder angemessen ausprobieren. Wenn du dein Kind der Kontrolle der Gesellschaft unterwirfst, steckst du es in eine Schublade und es kann sich nicht mehr entfalten. Du lehrst dein Kind die kulturellen Normen, unter denen du lebst. Das ist auch richtig so, soll es aber nicht in seiner Entfaltung einengen. Meistens konditionieren wir unsere Kinder in eine Box hinein. Wir erziehen ihnen unsere eigenen Ideen an, und so geht das SEIN verloren.

Die tiefere Idee von Muttersein heißt, zu verstehen, was Konditionierung bedeutet. Es heißt auch, ein tieferes Verständnis davon zu entwickeln und vor allem zu wissen, wann du gerade konditionierst und wann nicht.

Wenn du dein Kind konditionierst, nimmst du ihm den Atem.

Ein Beispiel: Du willst es konditionieren, wann es sich die Zähne putzen soll. Du willst es aber nicht konditionieren, voreingenommen und befangen anderen Menschen gegenüber zu sein. Um das Eine vom Anderen zu unterscheiden, braucht es eine reife Sensibilität.

Die Reife zu besitzen und zu erkennen, wann du dein Kind konditionierst, hilft, es nicht zu tun.

Ein anderes Beispiel: Das Kind verhält sich aus seiner Echtheit heraus und entwickelt so
sein Verhalten. Manchmal gefällt uns dabei sein Benehmen nicht und wir werden es nicht zulassen und nicht erlauben. Dieses Verhalten oder Benehmen ist aber wichtig für die Entwicklung des Kindes, und es ändert sich, wenn es größer und älter wird. Dieses Anderssein des Kindes kann sich zu etwas wirklich Schönem entwickeln und das Kind braucht Förderung darin.

Jedes Kind hat ein natürliches Wesen. Wenn es eine natürlich gesunde Reaktion auf etwas zeigt und wir diese Reaktion nicht erlauben, wird es sich selbst und sein Verhalten verändern, verrenken, verbiegen. Das ist schade. So schränken wir die Fähigkeit des Kindes ein.
Sich das klar zu machen, ist Reife. Den Unterschied zwischen Fördern und „hängen lassen“ zu erkennen, ist ebenfalls Reife.“