Vom Jungenbewusstsein zum Mannbewusstsein!
Es war einmal eine kleine Gruppe von Jungen, es waren ihrer achtzehn, die zur selben Zeit dieselben Träume hatten. … und sie waren damit nicht alleine!
Der 1. Traum sagte zu ihnen: „… die Erde und die Menschen kommen in große Gefahr. Die Menschen sind von einem Bann gefesselt, von einem unglücklich machenden Zauber befallen. Sie beuten die Erde aus und zerstören ihre Umwelt. Dabei werden die Menschen immer unglücklicher und kranker. Ihre schlechte Laune und die Gewaltbereitschaft nehmen zu. Dies wirkt sich auf das ganze Klima in der Welt aus. Überall wütet dieses Feuer. Es erhitzt das Gemüt, das Land brennt aus. Die einst flüssige Seele trocknet aus. Die Menschen wirken ausgebrannt.“
All dies waren eindeutige Zeichen, dass mit den Menschen etwas nicht mehr stimmen konnte. Nach diesem gemeinsam erlebten Traum entschlossen sich die Jungen dazu, der Erde und der Menschheit einen Dienst zu erweisen, um ihnen zu helfen. Natürlich wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau, wie und was sie unternehmen sollten, um eine Wende herbeizuführen. Doch in einem weiteren gemeinsamen Traum bekamen sie die Eingebung, was sie wie tun mussten, um den bösen Fluch zu beenden. … und sie waren damit nicht alleine!
Der 2. Traum sagte zu ihnen: „… viele erwachsene Menschen sind deshalb voller Sorgen, Nöten, Wut und mit unnötigen Leid geplagt, weil sie nicht wirklich zu eigenständigen, abgelösten und verantwortungsvollen Menschen heranreifen konnten. Vielen dieser Menschen wurde in ihrer Kindheit und Jugend nicht geholfen. Viele wurden gar durch Untersagen daran gehindert, den Übergang von Kindheit zum Erwachsenen zu vollziehen. Leider hat dies auch zur Folge, dass die Erinnerung an unsere uralten Stammeswurzeln und an unser weises, allwissendes Gedächtnis zusehends verloren geht und in Vergessenheit gerät. Wenn ihr wirklich helfen wollt, müsst ihr jetzt beginnen, einen Teil eurer Kindheit zurückzulassen, damit ihr später einmal in einer gesunden, reifen und achtungsvollen Weise als starke und mutige Männer die Erde, Frauen und Kinder sowie euch selbst schützen könnt. Ihr werdet jetzt erfahren, wie ihr es schaffen könnt, zu diesen jungen Erwachsenen heranzuwachsen.“
Erster Schritt: „Ihr müsst euch zu allererst mit der Erde verbünden, ihr müsst förmlich eins mit der Natur werden und mit ihr ein großes Ritual feiern! Sie ist eure wichtigste Rückbindung und wesentlichste Zugehörigkeit!“
Nach diesem nunmehr zweiten Traum, der ihnen das große Ritual verriet, begannen die Jungen sogleich, von ihrer Kindheit zu erzählen. Im Mittelpunkt standen die Berichte von Problemen sowie die Einschätzungen und Schilderungen des Erlebens ihrer Kindheit.
Sie erzählten, was ihnen gefallen hatte und womit sie glücklich waren. Sie erzählten aber auch, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten, was ihnen leichtfiel und was nicht. Dazu errichteten sie eine Naturbühne und jeder spielte ein Theaterstück aus seinem Familienleben zuhause. Erst als alle ihre Lebensgeschichten mitgeteilt und dargestellt hatten, war sich jeder einzelne Junge sicher, was er ab jetzt von der Kindheit nicht mehr brauchen würde – und was er zu tun bereit war, um ein junger Mann zu werden. Als sie so Einiges in ihrer Kindheit entdeckt hatten, was sie nicht mehr haben wollten, begann der
Zweiter Schritt, der ihnen im Traum mitgeteilt wurde: „Ihr müsst die Wildnatur, das Herz
in eurem Herzen, euer wahres Ich entdecken – und euch mit eurer bisherigen Geschichte versöhnen. Hier werdet ihr erkennen, dass etwas Höheres euch lenkt – Gott!“
Damit die Jungen überhaupt Zugang zur Wildnatur bekamen, mussten sie sich möglichst in ein Tier, in eine Pflanze, in ein Element (Erde, Wasser, Feuer, Mineral, Luft, Natur, Raum) oder in ein Wildes Wesen verwandeln. Sie bauten sich Masken, sie bemalten, beschmierten und schmückten ihre Körper. Sie verwendeten tierische und pflanzliche Stoffe zur Herstellung ihrer Gewänder, Steine und Wurzeln für Schmuckgegenstände und Waffen, die als Symbol der Tatkraft und Willenskraft gefertigt und getragen wurden.
Später, als sie mit ihrer Verwandlung fertig waren, konnte sie – der vom Bann gefesselte Mensch – kaum mehr von der Natur unterscheiden. Die Jungen wurden zu einem Baum oder Strauch, zu einem Stein oder einer Wurzel, zu einem Tier oder zu einem geheimnisvollen „Naturgeist“ oder „Wilden Wesen“. Die Jungen verschmolzen mit der Natur und wurden eins mit ihr.
Nun begann für die kleine Gruppe von jungen Helden, die bereits begonnen hatten, sich mit der Natur anzufreunden, um im Einklang mit ihr zu leben, der
Dritter Schritt: Ihr müsst euch tief in der Wildnatur eine Schwitzhütte errichten. Reinigt darin euren Körper und euren Geist. Achtet darauf, ob ihr Antworten auf die Fragen bekommt: Was ist der Sinn deines Lebens? Warum bist du hier in dieser Welt? Woher kommst du und wohin möchtest zu gehen?
So erzählte der Traum weiter:
Vierter Schritt: „Jetzt kommt auf euch wohl die schwierigste Aufgabe zu. Ihr müsst jetzt beweisen, dass ihr begriffen habt, was es heißt: Abschied von der Kindheit zu nehmen, um ein kräftiger Mann zu werden. Bevor ihr damit beginnt, baut für jedes Element (Erde, Wasser, Feuer, Mineral, Luft, Natur, Raum) ein Monument – ein Symbol – als Zeichen eurer Ernsthaftigkeit und eures Willens, diese bevorstehende Prüfung bestehen zu wollen!“
Nach dem Aufbau der Monumente hatten die Jungen noch einmal die Gelegenheit, den ganzen Nachmittag ausgiebig zu spielen, im Wasser zu plantschen, einander Geschichten vorzulesen und sich von den Mentoren verwöhnen zu lassen. Es gab ausreichend zu trinken und zu essen. Dafür war ein „Waldläufer“ – ein mit der Natur vertrauter erfahrener Mann – als Koch engagiert worden. Dann, am späten Nachmittag, begannen die Vorbereitungen. Zwölf Männer gaben den Jungen die letzten Unterweisungen. Mit speziellen Gewändern, Schmuck und Bemalung, aber auch mit Trommeln, Tanz und Gesängen vorbereitet und ausgerüstet, ging es immer weiter in den Abend hinein. Im Lager, dem „Dorf der Männer“, dort, wo alle versammelt waren, wurde ein großes Feuer entzündet, das die ganze Nacht hindurch brannte. Die Männermentoren brachten die Jungen – jeden einzeln – zu ausgesuchten Plätzen in der Natur. Die große Prüfung stand kurz bevor!
Und so sagte es ihnen der Traum:
„Jungen, ihr müsst jeder für sich alleine eine ganze Nacht hindurch bis zur Morgendämmerung unter freiem Himmel ohne Essen, nur mit einer Flasche Wasser ausgerüstet, an dem für euch auserwählten Ort wach bleiben; dabei der Natur (Großmutter Erde) und der Nacht (Großvater Himmel) aufmerksam lauschen und Ausschau halten, welche Antworten und Zeichen sie für euch haben.“
In einem 3. Traum wurde den Männermentoren mitgeteilt, mit welchen Worten sie die Jungen in die Nacht verabschieden sollten: „Wenn du diese Nacht durchlebst, dann hast du einen Teil deiner Kindheit zurücklassen können und du bist gereift. Als Mann, der ich bin, werde ich deine Eigenständigkeit akzeptieren und dich dafür achten und respektieren. Du bist jetzt aufgerufen, der Erde und den Menschen zu helfen und ihnen mit deiner Kraft, deinem Mut und deinem Willen zu dienen!“
“Was du noch unbedingt wissen musst:
Du bist sterblich!
Du bist nicht das Maß aller Dinge!
Du bist klein und dennoch dienst du dem Größten!
Du gehörst dem Leben, der Schöpfung, Gott!
Das Leben ist Leiden!
Die Grundbeschaffenheit von allem ist Liebe und Gutsein!
Befreiung bedeutet, abgelöst und eigenständig zu sein!“
Danach gingen die Männer zurück zum Lagerfeuer und unterstützten die Jungen mit Trommeln, Gesängen und Gebeten. Nur wenn ein Junge das Alleinsein überhaupt nicht aushalten konnte, durfte er zurückkommen und wurde im „Nest der Männer“ am Lagerfeuer aufgenommen. Er konnte dann die restliche Nacht bei ihnen verbringen, essen und schlafen. Für diesen Jungen war es dann einfach noch ein wenig zu früh. Dennoch machte er eine gute Erfahrung: den Schutz und die Geborgenheit bei Männern. Dieser Junge spürte, dass es für ihn später noch die Möglichkeit geben würde, mit Unterstützung der Männer den Übergang zu schaffen, der ihm das erste Mal nicht gelungen zu sein schien.
Die Nacht dauerte sehr lange und es passierte in diesen Stunden sehr viel. Mehr darf hier allerdings nicht erzählt werden. Dies bleibt als Geheimnis bei den Männern. Früh am Morgen holten die Männermentoren die Jungen von ihren Nachtplätzen ab. Es wurde ein großes, reichhaltiges, gesundes Frühstück vorbereitet. Obwohl alle müde waren, konnten sie stolz und glücklich auf das Erlebte, Erkannte und vollzogen Vollbrachte sein. Alles war gut gegangen!
Die Jungen konnten den ganzen Morgen für sich nützen.
Einige legten sich in die Wiese und schliefen, andere wiederum nahmen ein erfrischendes Bad im Fluss. Ein paar andere Jungen, die noch recht frisch waren, wollten unbedingt mit den Männern reden und sich mit ihnen austauschen.
Doch der Traum war noch nicht zu Ende!
Fünfter Schritt: „Ihr müsst gemeinsam noch eine Brücke über den Fluss bauen. Sie soll für euch ein sichtbares monumentales Symbol sein: ein Zeichen des Überganges von der Kindheit zum jungen Erwachsenen. Es soll euch ewig an das Große Ritual ‚HELDEN IN DEN BERGEN’ erinnern.“
Dann wurde noch alles für die Abschlussfestlichkeit und -zeremonie vorbereitet. Im Zuge dieser bekam jeder Junge von einem der Männermentoren noch einen Auftrag, eine Botschaft, die er in die Welt hinauszutragen hatte:
„KINDER SIND BOTSCHAFTER DES FRIEDENS –
ERWACHSENE SIND HÜTER DIESER BOTSCHAFT“
Bis spät in die Nacht hinein wurde ausgiebig gefeiert.
Früh am Morgen des nächsten Tages verließen die gereiften „Helden der Berge“ den Ort der Initiation. Sie kamen nach Hause zu ihrer gewohnten Umgebung und zu ihren Familien und alle merkten sofort, dass etwas geschehen und anders geworden war.
Und wenn du, lieber Leser, mit dieser Geschichte hinausgehst in dein Umfeld und dort Menschen antriffst, die etwas Besonderes an sich haben …
… die friedlich sind, aber trotzdem stark, mutig, bestimmt;
… die willens sind zu kämpfen, ohne auch nur einmal die Achtung vor dem Leben zu verlieren;
… die eine Botschaft in sich tragen, Menschen und Erde zu schützen;
… in deren Augen das angstfreie Feuer eines leidenschaftlichen Lebens funkelt;
… dann hast du voraussichtlich einen dieser jungen Erwachsenen getroffen, die einst in die Berge ausgezogen waren, um ihre Kindheit zu beenden und zu reifen Männern zu werden.